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Systrion Blog: Talkrunde mit Unilever | Systrion

Geschrieben von Norbert Obier | 31. August 2024
Vom Spielfeld zur Datenwelt: International einheitliche Regeln und Standards für erfolgreiches Zusammenspiel - im Fußball wie im Handel?

Bei der gerade beendeten Fußball-Europameisterschaft sorgten klare und für alle Teilnehmer verbindliche Regeln für einen reibungslosen Turnierablauf. Die teilnehmenden Teams konnten ihre individuellen Fähigkeiten den begeisterten Zuschauern präsentieren, und nicht selten gewann das Team, das Standards am besten umsetzte.
 
Taugt die EM daher als Metapher für den internationalen Handel? Sorgen auch hier klare, für alle Teilnehmer verbindliche Regeln für reibungslose Abläufe? Und gewinnt das Team, das die Standards am besten umsetzt, das Turnier bzw. die Herzen der begeisterten Endkunden?
 
In einer spannenden Talkrunde mit Katrin A. Niehoff von Unilever diskutieren wir, wie es um die Spielregeln und Standards im globalen Handel steht, welche Herausforderungen sie sieht, und was sie und ihr Team tun, damit Unilever auch morgen weltweit ganz vorne spielt.

Katrin A. Niehoff ist Head of Productdata DACH bei Unilever. Als leidenschaftliche Botschafterin für Produktdaten treibt sie mit ihrem Team das Thema nicht nur End-to-End in DACH – also von "code creation" bis zur "product detail page" voran, sie sucht auch Synergien in Europa, um noch bessere Prozesse und Effizienzen zu erzielen. Zu Unilever gehören Marken wie Dove, Knorr und Ben & Jerry's.


 

 
Der Talk

Obier: Die Fußball-EM war gerade und hat gezeigt, wie Parteien aus unterschiedlichsten Ländern nach einem gemeinsamen Regelwerk erfolgreich zusammenspielen. Bei dem Produktstammdatenmanagement sieht es international da noch nicht so reibungslos aus – oder täuscht der Eindruck?

Niehoff: Das Produktdatenmanagement (PDM) ist ein wichtiger Kernprozess, der die Qualität, Effizienz und Konsistenz von Geschäftsprozessen sicherstellt. Produktdatenmanagement umfasst die Erfassung, Pflege, Anreicherung, Verteilung und Nutzung von Produktinformationen über verschiedene Systeme, Kanäle und Organisationen hinweg. Diesen Prozess sicherzustellen ist die Kernaufgabe eines End-to-End PDM Teams.

Im Vergleich zum Fußball, in dem nach einem global einheitlichen Regelwerk gespielt wird, gibt es im Bereich Produktdaten noch einige Herausforderungen, die einen einheitlichen, reibungslosen und international standardisierten PDM-Prozess erschweren – intern und extern. Dazu gehören nicht nur die unterschiedlichen Standards, Formate und Anforderungen für bzw. an die Produktstammdaten in verschiedenen Ländern, Branchen und Märkten, sondern auch die mangelnde Interoperabilität und Integration von PDM-Systemen bzw. weiteren Systemen, die Daten zuliefern. Von der Komplexität und Dynamik der Produktstammdaten ganz zu schweigen.

Um das zu bewältigen, sind Maßnahmen erforderlich, die PDM international harmonisieren und verbessern – extern und innerhalb der Unternehmen. Dazu gehört vor allem eine Anerkennung der Bedeutung von Produktdatenmanagement als Kerngeschäftsprozess und eine funktionierende Produktdaten-Governance, um somit reibungslose operative Abläufe sicherzustellen.

Es gibt also im Vergleich zum Fußball noch einige Herausforderungen, die eine effektive und effiziente Erstellung, Orchestrierung und Nutzung von Produktstammdaten erschweren. Dies zu überwinden, ist eine Herausforderung für Internationale Konzerne und alle anderen Unternehmen, die Waren in mehr als einem Land anbieten. 

 

Obier: GS1 Deutschland hat im Produktstammdatenmanagement schon viel bewegt: Datenqualitätsstandard, Bildverpflichtung, DQX-Prüfungen. Hat Deutschland damit den Titel Europameister*in der Produktstammdaten geholt?

Niehoff: GS1 Deutschland hat im Bereich des Produktstammdatenmanagements schon viel erreicht, aber auch andere europäischen Länder wie z.B. Belgien, Holland, Österreich sind aktiv und treiben Initiativen und Standards, die ein ganzheitliches Produktdatenmanagement im Fokus haben, voran. Wer da den Titel Europameister*in verdient hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Es wäre jedoch aus Sicht eines internationalen Konzerns und auch vor dem Hintergrund der zunehmenden EU-Anforderungen wünschenswert, wenn PDM-Standards nicht als lokaler Wettbewerb, sondern als Kooperation verstanden werden, bei der alle Beteiligten von gemeinsamen EU -Standards profitieren können.

GS1 Deutschland leistet dabei einen wichtigen Beitrag, mit dem Ziel Qualität, Verfügbarkeit und Sicherheit der Produktstammdaten zu fördern und zu unterstützen. Dennoch fehlt mir ein weiterer wichtiger Schritt, nämlich die vollständige End-to-End Betrachtung von Produktdaten, d.h. die Integration und Harmonisierung der Daten vom Materialstamm bis hin zum E-Commerce. Denn die E-Comdaten bauen auf den „klassischen“ Stammdaten auf, werden aber heute oftmals separat betrachtet, weil sie im GDSN-Datenmodell bisher nur wenig berücksichtig werden. Trotzdem steigen die Erwartungen der offline Kunden, die ebenfalls mit mehr Informationen und Assets bedient werden wollen. Für diese Herausforderungen müssen schneller Lösungen gefunden werden, es braucht flexiblere, kanalspezifische Ausgabeformate, schnellere Prozesse, Abstimmungen – idealerweise mit den bestehenden Prozessen.

 

Obier: Zu einem erfolgreichen Stammdatenmanagement gehören Prozesse, IT-Systeme und Menschen. Wie effizient ist Unilever dabei aufgestellt und welche Projekte haben Sie noch vor?

Niehoff: Unilever ist einer der weltweit größten Konsumgüterhersteller mit mehr als 400 Marken in über 190 Ländern. Das Unternehmen verfolgt eine Vision von nachhaltigem Wachstum und sozialer Verantwortung, die sich in seiner Corporate Purpose "Making sustainable living commonplace" widerspiegelt. Um diese Vision zu verwirklichen, benötigt Unilever ein effizientes und effektives Produktdatenmanagement, das die Qualität, Konsistenz und Aktualität der Daten über seine Produkte sicherstellt. Gleichzeitig gilt es, diese auch als zusätzliches Marketingtool zu sehen und zu nutzen.

In DACH – und das fällt aktuell in meinen Verantwortungsbereich - nutzen wir ein lokales System: Prisma, mit dem wir vor mehr als 10 Jahren als MDM-Tool gestartet sind und das wir kontinuierlich weiterentwickelt haben. Es wurde damals schon erkannt, dass nur mit einem Workflowtool, das alle Daten einsammelt und archiviert, kontrollierte Qualität sichergestellt ist und nur so ein effektiver und effizienter Prozess gewährleistet werden kann. Das ist nicht in allen EU-Ländern so, wird aber jetzt vorangetrieben, um sowohl den steigenden EU-Regularien als auch den erhöhten Anforderungen an Produkttransparenz durch unsere Konsumenten gerecht zu werden.

Wir haben dieses System für uns so weit angepasst über die Zeit, dass es zu unseren UL DACH und auch Marktgegebenheiten passt. Gleichzeitig haben wir es an globale Tools angeschlossen. Wir optimieren ständig, automatisieren, eliminieren manuelle Arbeit und schauen aktuell nach dem Potential von AI innerhalb dieses Prozesses. Als Service, auch für interne Kunden, haben wir verschieden automatisierte Outputformate definiert wie z.B. Preislisten, Productfactsheets etc. Insgesamt haben wir eine eigene, dynamische und „glokale“ Systemlandschaft, die es uns ermöglicht, mehrere tausend Produktcodes mit einem relativ kleinen Team in DACH zu bearbeiten.

Aktuell arbeiten wir daran, die Zentralisierung und Optimierung der Produktdaten EU-weit sicherzustellen, prozessual und systemisch, so dass wir EU-übergreifend eine hohe Datenqualität und -konsistenz über alle Märkte hinweg erreichen und dadurch Effizienz und Transparenz für das gesamte Geschäft erzielen. Die Komplexität der Anforderungen durch E-com, neue Gesetzgebungen (z.B. EU Green Deal, deforestation) machen es erforderlich, diesen Schritt zu gehen und so zur Wertschöpfung beitragen.

Obier: Zukünftig stehen auch Nachhaltigkeitsdaten im Fokus des Produktdatenaustausch. Wie arbeitet Unilever dazu derzeit mit seinen Handelspartnern zusammen und welche Entwicklungen erwarten Sie für die nächsten 5 Jahren?

Niehoff: Seit über zwei Jahrzehnten verfolgen wir eine ehrgeizige Nachhaltigkeitsagenda, die wir zu einem festen Bestandteil des Unternehmenserfolgs machen. Diese Bedeutung wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen, zum Beispiel bei der Verwendung von recyceltem und wiederverwertbarem Kunststoff, bei der nachhaltigen Beschaffung von Rohwaren und Inhaltsstoffen und der Reduzierung von Treibhausgasen.  Über Ziele und Fortschritt berichten wir regelmäßig, transparent und ausführlich - beispielsweise in unserem Jahresabschlussbericht.

Auch bei der Bereitstellung von Nachhaltigkeitsdaten unternehmen wir große Anstrengungen, um Konsument*innen mehr Produkttransparenz zu bieten.

Diese Informationen dann zu übersetzen und produktgenau abzubilden, ist unsere Ambition für die Produktdaten-Teams und spannend, denn es erfordert auch hier, dass die strategische Bedeutung von Produktdaten anerkannt wird und alle Funktionen diese Informationen inhaltlich und produktgenau bereitstellen können. Es ist eine spannende Herausforderung, der wir uns stellen und an der wir kontinuierlich arbeiten.

 

Über Unilever                                                                               

Unilever ist ein international führender Konsumgüterhersteller. Das Unternehmen vertreibt in über 190 Ländern Lebensmittel, Körperpflegeprodukte, Waschmittel und Haushaltsreiniger, die jeden Tag von rund 2,5 Milliarden Verbraucherinnen und Verbrauchern genutzt werden. Unilever beschäftigt weltweit über 150.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erzielte 2019 einen Umsatz von 52 Milliarden Euro. Zu Unilever gehören einige der weltweit bekanntesten und beliebtesten Marken wie Knorr, Bertolli, Lipton, Dove, Axe, Rexona, Coral und Ben & Jerry’s.

Unilever schafft Unternehmenswert, indem Wachstum und Vertrauen gesteigert sowie Kosten und Risiken gesenkt werden. Marken von Unilever, die eine nachhaltige Lebensweise unterstützen, standen 2019 für 78 Prozent Ihres Wachstums sowie 75 Prozent Ihres Umsatzes.

Das Unternehmen will bis 2030 eine positive CO-Bilanz in seinen Produktionsprozessen erreichen. Außerdem hat Unilever zugesichert, dass 100 Prozent seiner Kunststoffverpackungen bis 2025 vollständig wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar sind. Bis 2025 sollen zudem die verwendete Menge an Neuplastik halbiert und somit 350.000 Tonnen weniger Neuplastik für Verpackungen eingesetzt werden

 

 

Über die Talkrunde 

Die Talkrunde, moderiert von Norbert Obier, ist ein Gesprächsformat mit Expertinnen und Experten über aktuelle Themen und Herausforderungen im Produktstammdatenmanagement. Ziel der Talkrunde ist es, praktische Einblicke und Lösungen zu bieten, die Unternehmen bei der effizienten Verwaltung ihrer Produktinformationen unterstützen.